KI, Korrelation und Kasualität
Was Störche und KI über Ihre Daten verraten: 4 Wahrheiten für bessere Entscheidungen
 Fühlen Sie sich auch manchmal in Daten ertränkt, während Sie nach echten Erkenntnissen dürsten? In einer Welt voller Dashboards und Kennzahlen ist es leicht, den Überblick zu verlieren. Doch wie können Sie sicher sein, dass Ihre Daten wirklich die Wahrheit sagen und Sie zu den richtigen Schlussfolgerungen führen? Dieser Artikel enthüllt vier entscheidende Wahrheiten aus der professionellen Prozessanalyse. Sie bilden eine logische Kette für robuste Entscheidungen: Zuerst validieren wir das Messinstrument, dann verstehen wir seine Grenzen, nutzen es effizient und visualisieren schließlich die Ergebnisse, um Klarheit zu schaffen. 
1. Ihr Kompass ist kaputt: Warum die beste Analyse ohne Messsystem-Check wertlos ist
 Überraschenderweise wird in der Praxis oft direkt zur Auswertung von Daten gesprungen, ohne eine entscheidende Frage zu stellen: Ist unser Messsystem überhaupt zuverlässig? Die Messsystemanalyse (oft als Gage R&R bezeichnet) ist eine systematische Überprüfung, ob Ihre „Messwerkzeuge“ – seien es physische Geräte, Software oder manuelle Bewertungen durch Mitarbeiter – konsistente und genaue Ergebnisse liefern. Dabei stehen R&R für Repeatability (Wiederholbarkeit – liefert ein Prüfer bei wiederholter Messung desselben Teils dasselbe Ergebnis?) und Reproducibility (Reproduzierbarkeit – liefern verschiedene Prüfer bei der Messung desselben Teils dasselbe Ergebnis?). Wenn Ihre Messungen ungenau oder inkonsistent sind, analysieren Sie reinen Zufall. Jede darauf aufbauende Schlussfolgerung, jede teure Maßnahme, basiert auf „Datenmüll“. Bevor Sie also dem „Was“ Ihrer Daten vertrauen, müssen Sie das „Wie“ der Erfassung validieren. Wichtig ist hierbei die Reihenfolge: Die Gage R&R-Studie prüft den Einfluss von Mensch und Methode. Sie ist aber erst sinnvoll, nachdem die grundsätzliche Eignung des Messgeräts selbst – also seine Genauigkeit und Auflösung – bereits nachgewiesen wurde. Die R&R-Studie soll nur dann durchgeführt werden, wenn die grundsätzliche Tauglichkeit des Messgeräts sichergestellt ist. 
2. Die große Illusion: Warum Korrelation nicht Kausalität bedeutet (und selbst KI darauf hereinfällt)
 Nachdem wir nun sichergestellt haben, dass unser Messkompass kalibriert ist, müssen wir die größte Interpretationsfalle vermeiden. Eine der größten Gefahren in der Datenanalyse ist die Verwechslung von Korrelation (zwei Dinge passieren gleichzeitig) und Kausalität (eine Sache verursacht die andere). Korrelation beschreibt lediglich einen statistischen Zusammenhang, bei dem sich zwei Variablen gemeinsam bewegen.  
Zwei klassische Beispiele für diese sogenannte Scheinkorrelation verdeutlichen das Problem:
  
Eisverkäufe und Badeunfälle:
Die Verkaufszahlen für Eis korrelieren stark mit der Anzahl der Badeunfälle. Verursacht Eisessen also Unfälle? Nein. Die verborgene, tatsächliche Ursache für beides ist die hohe Temperatur im Sommer. 
Störche und Geburtenraten:
In ländlichen Regionen gibt es oft eine positive Korrelation zwischen der Storchenpopulation und der Geburtenrate. Der wahre Zusammenhang liegt jedoch in der ländlichen Umgebung selbst, in der tendenziell mehr Familien leben und sich Störche wohler fühlen. Genau hier stoßen selbst moderne KI-Systeme an ihre Grenzen. Künstliche Intelligenz ist phänomenal darin, Muster und Korrelationen in riesigen Datenmengen zu erkennen. Sie kann das „Was“ identifizieren, aber ohne menschlichen Kontext und Fachwissen versteht sie nicht die wahre Ursache – das „Warum“. 
Ein treffender Kommentar in Fachkreisen fasst es perfekt zusammen: KI ist genial im Was, doch das Warum bleibt weiterhin menschlich.
  
3. Weniger ist mehr: Die überraschende Macht von nur 30 Datenpunkten
 Im Zeitalter von „Big Data“ herrscht oft die Annahme: „Mehr Daten sind immer besser“. Das ist einer der hartnäckigsten Mythen. Die professionelle Statistik zeigt, dass oft schon eine relativ kleine, aber qualitativ hochwertige Stichprobe ausreicht, um verlässliche Aussagen zu treffen. Der Zentrale Grenzwertsatz, ein Eckpfeiler der Statistik, besagt vereinfacht, dass eine zufällige Stichprobe von mindestens 30 Werten (n ≥ 30) oft genügt, um valide Schätzungen über die Gesamtheit abzugeben. Dies ist kontraintuitiv, aber extrem schlagkräftig. Es bedeutet, dass nicht die schiere Menge, sondern die Qualität und die Strategie der Datenerfassung entscheidend sind. Anstatt wahllos riesige Datenmengen zu sammeln, ist es wichtiger, die richtigen Datenpunkte gezielt zu erfassen. Wird von einem Teil (oder einer Dienstleistung) ein PIV gemessen, muss auch der zugehörige KPOV desselben Teils (derselben Dienstleistung) gemessen werden. 
Das bedeutet:
Erfassen Sie immer zusammengehörige Input- (PIV) und Output-Werte (KPOV). Nur so lässt sich später eine glasklare Verbindung zwischen einer potenziellen Ursache (dem Input, PIV) und dem Ergebnis (dem Output, KPOV) herstellen und analysieren, welche Stellschrauben wirklich einen Effekt auf die Qualität haben. Diese Effizienz ist jedoch nur dann ein Vorteil, wenn jeder dieser 30 Datenpunkte goldwert ist – was eine bestandene Messsystemanalyse (siehe Punkt 1) zur absoluten Grundvoraussetzung macht.  
4. Ein Bild sagt mehr als 1.000 Zahlen: Die simple Kraft der grafischen Analyse
 Bevor Sie sich in komplexe statistische Tests und Algorithmen stürzen, sollten Sie einen simplen, aber unglaublich mächtigen ersten Schritt tun: Visualisieren Sie Ihre Daten. Grafische Analysen sind ein intuitives Werkzeug, um schnell ein Gefühl für mögliche Zusammenhänge zu bekommen.  
Zwei einfache, aber effektive Werkzeuge sind hier besonders hervorzuheben:
 
Streudiagramm (Scatter Plot):
Dieses Diagramm trägt Wertepaare zweier Faktoren in ein Koordinatensystem ein. Bilden die Punkte eine „ausgerichtete Wolke“, deutet dies auf einen potenziellen linearen Zusammenhang hin. Sie sehen auf einen Blick, ob eine Beziehung existiert und in welche Richtung sie geht. 
Boxplot:
Ein Boxplot visualisiert die Verteilung von Daten auf einen Blick. Er zeigt den Median, die Streuung der mittleren 50 % Ihrer Daten und potenzielle Ausreißer. Besonders mächtig wird der Boxplot im direkten Vergleich: Als Faustregel gilt in der Prozessanalyse, dass wenn sich die Boxen zweier Gruppen (z.B. „gute Teile“ vs. „schlechte Teile“) nicht überlappen, man mit hoher Sicherheit von statistisch signifikanten Unterschieden ausgehen kann. Diese visuellen Werkzeuge sind mehr als nur hübsche Bilder; sie sind Ihre erste Verteidigungslinie. Ein einfaches Streudiagramm kann oft auf den ersten Blick entlarven, ob ein Zusammenhang plausibel ist oder ob es sich – wie im Eisverkäufe-Beispiel – um eine offensichtliche Scheinkorrelation handelt.  
Fazit: Von Daten zu Weisheit
 Wirklich gute Entscheidungen entstehen nicht aus einem Meer von Zahlen, sondern aus gezielten und validierten Erkenntnissen. Die vier Wahrheiten zeigen einen klaren Weg: Sichern Sie die Qualität Ihrer Messung als Fundament, unterscheiden Sie strikt zwischen Korrelation und Kausalität, setzen Sie auf gezielte statt auf massenhafte Daten und nutzen Sie die Kraft einfacher Grafiken, um Klarheit zu schaffen.Setzen Sie diese Prinzipien ein, um Ihre Daten durch kritisches Denken und Prozesswissen zu validieren. Nur so verwandeln Sie reine Informationen in robuste, handlungsleitende Intelligenz. Welche vermeintliche Wahrheit in Ihren Daten sollten Sie als Nächstes hinterfragen?
  
  
Cindy Heinzemann | Q-LEARNING
Cindy Heinzemann
Training, Coaching, KursentwicklungDank ihrer langjährigen und umfassenden Erfahrung in der Leitung von LEAN- und SIX SIGMA-Projekten sowie im Coaching begleitet Cindy Heinzemann unsere Teilnehmenden zielgerichtet durch die Kurse. Mit ihrem fundierten Fachwissen und ihrer positiven Art versteht sie es, theoretische Inhalte mit praxisnahen Erfahrungsberichten zu verbinden und dadurch den Lernerfolg zu gewährleisten. Als zertifizierte Nachhaltigkeitsmanagerin (TÜV) liegt es ihr sehr am Herzen, die Zukunftsfähigkeit für Neuentwicklungen oder Verbesserungen von Produkten und/oder Prozessen als Selbstverständlichkeit zu berücksichtigen und somit nachhaltige Lösungen zu gewährleisten.