3 Denkfehler über Qualität, die Ihr Unternehmen heimlich Geld kosten
Der hohe Preis der Mittelmäßigkeit
 Die meisten von uns haben es als unumstößliche Wahrheit verinnerlicht: Höhere Qualität bedeutet zwangsläufig höhere Kosten. Es scheint logisch, dass bessere Materialien, strengere Kontrollen und mehr Aufwand den Preis in die Höhe treiben. Aber was wäre, wenn diese Annahme nicht nur falsch ist, sondern Ihr Unternehmen aktiv daran hindert, profitabler zu werden? Was wäre, wenn das Streben nach besserer Qualität nicht nur die Kosten nicht erhöht, sondern sie sogar drastisch senkt? Genau hier setzt das Konzept der „Kosten schlechter Qualität“ (Cost of Poor Quality, COPQ) an. Es ist der unsichtbare Kostenblock, der entsteht, wenn die Dinge nicht beim ersten Mal richtig gemacht werden. Dieser Artikel deckt die überraschendsten Erkenntnisse auf und zeigt, warum Qualität nicht nur Ihr stärkster Gewinnmotor ist, sondern auch, wie bis zu einem Drittel Ihrer Prozesskosten heimlich von schlechter Qualität aufgefressen werden.  
1. Der Paradigmenwechsel: Bessere Qualität bedeutet niedrigere Kosten
 Der traditionelle Ansatz zur Qualitätssicherung konzentriert sich auf die Fehlerentdeckung am Ende eines Prozesses. Durch eine Endkontrolle werden fehlerhafte Produkte identifiziert und anschließend nachgearbeitet oder als Ausschuss entsorgt. Diese Methode reduziert Fehler nicht, sie bezahlt lediglich einen hohen Preis, um sie abzufangen. Da die Kosten für Inspektion, Nacharbeit und Ausschuss direkt sichtbar sind, zementiert dieser Ansatz den Trugschluss, dass Qualität teuer sei. In Wahrheit wird die Qualität hier lediglich auf einem hohen Kostenniveau sichergestellt. Der moderne und weitaus effektivere Ansatz verschiebt den Fokus von der Fehlerentdeckung auf die Fehlervermeidung. Statt die Symptome zu behandeln, konzentriert er sich auf die Ursache der Fehler: die Prozessstreuung. Diese Streuung ist die simple Ursache dafür, dass Ergebnisse außerhalb der geforderten Spezifikationsgrenzen landen. Der Zusammenhang ist direkt und unumstößlich: Je geringer die Streuung in einem Prozess, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Fehler überhaupt entstehen. Geringere Fehlerwahrscheinlichkeit bedeutet höhere Qualität bei gleichzeitig geringeren Kosten. Die quantitativen Auswirkungen dieses Wechsels sind enorm. Die Prozessgüte wird oft im Sigma-Niveau gemessen. Ein durchschnittliches europäisches Unternehmen operiert auf einem 3-Sigma-Niveau, bei dem die Kosten schlechter Qualität erschreckende 20-35 % der gesamten Prozesskosten ausmachen können. Im Gegensatz dazu sinkt dieser Anteil bei einem Prozess auf Six-Sigma-Niveau auf nur noch 2-7 %. Dieser Perspektivwechsel ist für jedes Unternehmen von entscheidender Bedeutung. Es geht nicht mehr darum, Fehler am Ende der Kette abzufangen, sondern darum, Prozesse so stabil und präzise zu gestalten, dass Fehler gar nicht erst auftreten. Wahre Qualität entsteht im Prozess, nicht in der Endkontrolle.  
2. Die Spitze des Eisbergs: Die versteckten Kosten der Fehler
 Die Kosten schlechter Qualität sind oft viel umfassender, als es auf den ersten Blick scheint. Sie lassen sich in vier Hauptkategorien unterteilen, die zusammen ein vollständiges Bild der finanziellen Auswirkungen von Mängeln zeichnen: 
Interne Fehlerkosten:
Kosten, die entstehen, bevor ein Produkt den Kunden erreicht. Beispiele sind Ausschuss, Nachbesserungen, Produktionskosten für fehlerhafte Teile und überschüssige Lagerbestände. 
Externe Fehlerkosten:
Kosten, die anfallen, nachdem ein fehlerhaftes Produkt den Kunden erreicht hat. Dazu gehören Garantiefälle, Kulanzkosten, die Bearbeitung von Reklamationen und der immense Schaden durch Imageverlust. 
Kosten der Qualitätsbewertung:
Alle Aufwendungen für Prüfungen und Inspektionen. Beispiele sind Inspektionskosten, die Abschreibung und der Betrieb von Test-/Prüfausrüstung sowie Material, das bei Prüfungen verbraucht wird. 
Kosten der Fehlervermeidung:
Proaktive Investitionen, um Fehler von vornherein zu vermeiden. Dazu zählen Prozessverbesserungen, Mitarbeiterschulungen oder die vorbeugende Wartung von Produktionsausrüstungen. Diese Kosten erodieren die Profitabilität eines Unternehmens auf fundamentale Weise, indem sie die einfache Gewinnformel von zwei Seiten angreifen: Gewinn = Umsatz - Kosten. Interne Fehlerkosten wie Nacharbeit führen zu „zusätzlicher Auslastung“ und blähen so direkt die Kosten auf. Externe Fehlerkosten können durch „Preisabschläge und Absatzverluste“ den Umsatz schmälern und gleichzeitig die Kosten durch Garantieleistungen erhöhen. Viele Unternehmen haben Schwierigkeiten, diese Kosten vollständig zu erfassen. Das bedeutet, dass das tatsächliche Einsparpotenzial, das in der Verbesserung der Qualität liegt, oft weit unterschätzt wird. Die Kernbotschaft ist einfach, aber wirkungsvoll: Kosten schlechter Qualität entstehen dann, wenn beim ersten Versuch nicht zu hundert Prozent fehlerfreie Wertschöpfung erzeugt wurde. Der scheinbar abgenutzte Slogan „Die Dinge beim ersten Mal richtig machen“ ist keine leere Floskel. Er beschreibt eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit, die eine direkte und messbare Auswirkung auf den Unternehmenserfolg hat.  
3. 'Weiche' Einsparungen sind wertvoller, als Sie denken
 Bei der Bewertung von Verbesserungspotenzialen wird oft zwischen zwei Arten von Einsparungen unterschieden: Hard Savings und Soft Savings. 
  • Hard Savings sind direkt messbare Kosteneinsparungen, die sich unmittelbar in der Bilanz niederschlagen. Ein Beispiel wäre reduzierter Materialeinsatz, weil die Ausschussquote gesenkt wurde.
 
  • Soft Savings sind Verbesserungen, die nicht sofort monetär wirksam werden. Ein typisches Beispiel ist die freigewordene Zeit von Mitarbeitern, die sich nicht mehr mit der Bearbeitung von Fehlern beschäftigen müssen.
 Es ist ein kritischer Fehler, "Soft Savings" als minderwertig oder unwichtig abzutun. Die wahre Kunst der Wertschöpfung liegt darin, mehrere kleine "Soft Savings" strategisch zu bündeln, bis sie eine kritische Masse erreichen und sich in greifbare "Hard Savings" verwandeln. Werden beispielsweise durch mehrere kleine Prozessverbesserungen die Auslastungsreduzierungen einer Anlage summiert, kann dies am Ende zur Einsparung einer ganzen Schicht führen – eine harte, messbare Einsparung. Darüber hinaus beginnen einige der wichtigsten strategischen Vorteile als "Soft Savings". Eine erhöhte Marktchance durch eine überlegene Produktqualität lässt sich anfangs nur schwer in Euro beziffern. Langfristig sind jedoch genau diese Potenziale entscheidend für den nachhaltigen Erfolg eines Unternehmens.  
Fazit:
 Qualität ist kein Kostenfaktor, sondern ein Gewinnmotor Es ist keine Übertreibung zu behaupten, dass für viele Unternehmen die größte ungenutzte Profitquelle in ihren Kosten schlechter Qualität vergraben liegt. Die Reduzierung dieser Kosten durch eine proaktive Verbesserung der Prozessgüte ist eine der effektivsten Strategien zur Steigerung der Rentabilität. Statt Qualität als notwendiges Übel zu betrachten, das Kosten verursacht, sollten Unternehmen sie als Investition sehen, die Ausschuss, Nacharbeit und Kundenbeschwerden reduziert und gleichzeitig die Effizienz und den Gewinn steigert. Welche unsichtbaren Kosten schlummern in Ihren Prozessen und warten darauf, in Gewinn umgewandelt zu werden?

 
Cindy Heinzemann | Q-LEARNING
Cindy Heinzemann
Training, Coaching, KursentwicklungDank ihrer langjährigen und umfassenden Erfahrung in der Leitung von LEAN- und SIX SIGMA-Projekten sowie im Coaching begleitet Cindy Heinzemann unsere Teilnehmenden zielgerichtet durch die Kurse. Mit ihrem fundierten Fachwissen und ihrer positiven Art versteht sie es, theoretische Inhalte mit praxisnahen Erfahrungsberichten zu verbinden und dadurch den Lernerfolg zu gewährleisten. Als zertifizierte Nachhaltigkeitsmanagerin (TÜV) liegt es ihr sehr am Herzen, die Zukunftsfähigkeit für Neuentwicklungen oder Verbesserungen von Produkten und/oder Prozessen als Selbstverständlichkeit zu berücksichtigen und somit nachhaltige Lösungen zu gewährleisten.