Nachhaltigkeit in der Produktentwicklung
19. Nov. 2024 | Cindy Heinzemann | 3 min.
Produktentwicklung ist der Prozess der Planung, Gestaltung und Optimierung von Produkten oder technischen Systemen. Dabei werden technische, funktionale und ästhetische Anforderungen berücksichtigt, um ein funktionsfähiges, marktfähiges und wirtschaftlich herstellbares Produkt zu schaffen. Sie umfasst die Entwicklung von Konzepten, die Auswahl geeigneter Materialien, die Berücksichtigung von Fertigungsverfahren sowie die Überprüfung der Produktqualität.
Ziel der Konstruktionsentwicklung ist es, innovative Lösungen zu entwickeln, die den Anforderungen des Marktes und den Kundenbedürfnissen gerecht werden.
Der Kreislauf der Nachhaltigkeit: Von der Produktentwicklung über die Nutzung bis zur Wiederverwendung – Innovation im Einklang mit der Umwelt.
Ziele der Produktentwicklung
Innovationen erschaffen:
Neue Produkte und Technologien entwickeln, die den Marktanforderungen gerecht werden.
Funktionalität und Qualität sicherstellen:
Produkte so zu entwerfen, dass sie die geforderten Funktionen zuverlässig und effizient erfüllen.
Wirtschaftlichkeit verbessern:
Effiziente und kostengünstige Herstellungsprozesse entwickeln.
Probleme lösen:
Technische Herausforderungen durch maßgeschneiderte Lösungen bewältigen.
Nachhaltigkeit fördern:
Gezielte Materialauswahl, um Ressourcenverbrauch und Umweltbelastungen zu minimieren.
Neben allen weiteren Herausforderungen heutiger Produktentwicklung ist Nachhaltigkeit eine wesentliche Rahmenbedingung und wird im Sinne der Entwicklung/Konstruktion wie folgt definiert:
„Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.“ [World Commission on Environment and Development 1987]
Die ESG-Richtlinie als strategischer Rahmen für nachhaltige Produktentwicklung
Nachhaltige Produktentwicklung muss also weit mehr berücksichtigen als lediglich betriebswirtschaftliche Aspekte. Für betriebliche Belange ergibt sich daraus die Gliederung in Umwelt, wirtschaftliche Belange und soziale Gerechtigkeit, international bekannt als ESG-Richtlinie.
ESG (Environmental, Social, Governance) ist ein wichtiger Rahmen für nachhaltige Strategien in der Produktentwicklung. Es hilft Unternehmen, ökologische, soziale und ethische Faktoren in ihre Prozesse zu integrieren und langfristige Nachhaltigkeit zu fördern:
- Environmental (Umwelt): In der Konstruktionsentwicklung bedeutet dies, Materialien und Technologien zu wählen, die umweltfreundlich sind, den Energieverbrauch zu senken, den CO₂-Ausstoß zu reduzieren und Abfälle zu minimieren.
- Social (Soziales): Berücksichtigt wird die soziale Verantwortung, z. B. faire Arbeitsbedingungen, Sicherheit am Arbeitsplatz und die Förderung von Diversität in der Produktentwicklung.
- Governance (Unternehmensführung): Die Einhaltung ethischer Richtlinien und Transparenz bei Entscheidungsprozessen sowie die Einhaltung von gesetzlichen und regulatorischen Vorgaben.
Durch die Integration von ESG in die Konstruktionsentwicklung können Unternehmen umweltfreundliche, sozial verantwortungsvolle und ethisch geführte Produkte und Prozesse schaffen, die gleichzeitig wettbewerbsfähig und zukunftssicher sind.
Nachhaltige Konstruktion im Fokus: ESG als Schlüssel für eine umweltfreundliche und zukunftssichere Bauweise.
ZYKLISCHE RESSOURCENNUTZUNG MIT DFSS
Die Berücksichtigung zyklischer Ressourcennutzung innerhalb des DFSS (DESIGN FOR SIX SIGMA)-Ansatzes fördert die Nachhaltigkeit und Effizienz während des gesamten Entwicklungsprozesses. Zyklische Ressourcennutzung bedeutet, Materialien und Ressourcen wiederholt zu verwenden, anstatt sie nach einmaligem Gebrauch zu entsorgen.
Im DFSS wird dies durch folgende Strategien unterstützt:
Design for Recycling: Produkte werden so entwickelt, dass ihre Materialien am Ende des Lebenszyklus leicht recycelt und wiederverwendet werden können.
Materialreduktion: Durch Analyse und Optimierung der Prozesse wird der Materialverbrauch minimiert, um Abfall und Kosten zu reduzieren.
Kreislaufwirtschaft: Produkte und Prozesse werden so gestaltet, dass sie in den wirtschaftlichen Kreislauf zurückgeführt werden können, z. B. durch Wiederverwendung oder Reparatur.
Lebenszyklusanalyse: In jeder Phase des Designprozesses wird der gesamte Lebenszyklus des Produkts berücksichtigt, um ressourcenschonende Entscheidungen zu treffen.
Diese Strategien innerhalb von DFSS ermöglichen es, umweltschonende, kosteneffiziente und wettbewerbsfähige Produkte zu entwickeln, die Ressourcen effizient nutzen und die Nachhaltigkeit maximieren.
VON DER WIEGE BIS ZUR WIEGE: CRADLE TO CRADLE
Das Konzept „Von der Wiege bis zur Wiege“ (Cradle to Cradle, C2C) wurde von dem deutschen Chemiker Michael Braungart und dem amerikanischen Architekten William McDonough in den 1990er Jahren entwickelt und beschreibt einen nachhaltigen Ansatz zur Produktgestaltung, bei dem Materialien so genutzt werden, dass sie entweder in biologische oder technische Kreisläufe zurückgeführt werden können.
Anstatt Ressourcen einmalig zu verbrauchen und danach zu entsorgen (wie bei der traditionellen linearen Wirtschaft „von der Wiege bis zur Bahre“), zielt Cradle to Cradle darauf ab, Materialien wiederholt zu verwenden, ohne Abfall zu erzeugen.
Cradle to Cradle (C2C) bietet also ökologische, ökonomische und soziale Vorteile und schafft die Grundlage für eine nachhaltigere und zukunftssichere Wirtschaft. Dieser Ansatz schließt die Demontage bzw. Rückführung in den Material- und Energiekreislauf mit ein, sodass Produkte oder Komponenten sinnvoll verwertet werden.
Nachfolgend eine Auswahl an Vorteilen, die durch die C2C-Konzeption möglich sind:
- Abfallvermeidung: C2C fördert einen Kreislaufansatz, bei dem Materialien entweder biologisch abbaubar oder vollständig recycelbar sind, sodass kein Abfall am Ende des Produktlebenszyklus entsteht.
- Ressourceneffizienz: Durch die Verwendung erneuerbarer und wiederverwendbarer Materialien reduziert C2C die Erschöpfung von Rohstoffen und sorgt für eine kontinuierliche Wiederverwendung von Materialien, was die Abhängigkeit von neuen Ressourcen minimiert.
- Umweltfreundlichkeit: C2C verringert Umweltverschmutzung, indem es den Einsatz von umweltfreundlichen, ungiftigen Materialien und sauberen Produktionsprozessen fördert, was zu weniger Umweltschäden führt.
- Innovation und Produktwert: Der C2C-Ansatz fördert Innovationen im Produktdesign, ermutigt Unternehmen, traditionelle Prozesse neu zu überdenken, und schafft langlebigere, vielseitigere und nachhaltigere Produkte.
- Wirtschaftliche Vorteile: Unternehmen, die C2C übernehmen, können durch die Reduzierung von Entsorgungskosten und die Einsparung bei Rohstoffen wirtschaftlich profitieren, gleichzeitig ihr Markenimage verbessern und umweltbewusste Verbraucher anziehen.
- Gesundheit und Sicherheit: C2C legt Wert auf den Einsatz sicherer, ungiftiger Materialien, wodurch Produkte sowohl für den Menschen als auch für die Umwelt gesünder sind.
- Regenerativer Ansatz: Anstatt nur Schäden zu minimieren, zielt C2C darauf ab, Systeme zu schaffen, die einen positiven, regenerativen Einfluss auf Ökosysteme und Gemeinschaften haben, was zur langfristigen Nachhaltigkeit beiträgt.
Die Verinnerlichung einer Unternehmensphilosophie, die sich am C2C-Konzept orientiert, unterstützt Unternehmen somit dabei, die Anforderungen der ESG-Richtlinie zu erfüllen.
Cradle to Cradle (C2C) = Kreislaufzyklus, der darauf abzielt, Produkte so zu gestalten, dass ihre Materialien am Ende ihres Lebenszyklus entweder wiederverwendet oder vollständig biologisch abgebaut werden können, ohne Abfall zu erzeugen. Hier am Beispiel Papier.
DEMONTAGEGERECHTE KONSTRUKTION
Ein montagefreundliches Produkt zu konstruieren und entsprechende Leitlinien zu befolgen, ist in vielen Unternehmen aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen bereits etabliert.
Aufgrund der Erweiterung der gesellschaftlichen und politischen Anforderungen und Erwartungen an Unternehmen, auch ökologische Aspekte gleichbedeutend zu betrachten, gewinnt aber vor allem die Demontage immer mehr an Bedeutung.
Design for Disassembly (DFD) unterstützt nachhaltiges DFSS
Verantwortungsbewusste Konstruktion im Hinblick auf spätere Demontage gelingt mit dem DFD-Ansatz (Design for Disassembly). Das Prinzip zielt darauf ab, Produkte von vornherein so zu gestalten, dass sie am Ende ihrer Lebensdauer leicht zerlegt, recycelt oder wiederverwendet werden können.
In der Analyse-Phase von DFSS (DESIGN FOR SIX SIGMA) ist DFD besonders wichtig, da hier sowohl Design als auch Konstruktion eines Produktes unter anderem daraufhin überprüft werden, wie es den Anforderungen an Nachhaltigkeit und Wiederverwendbarkeit gerecht wird.
DFD-Vorgehensweise in der DFSS Analyse-Phase:
- Identifizierung von Komponenten: In dieser Phase wird analysiert, welche Materialien und Bauteile für eine einfache Demontage geeignet sind. DFD hilft dabei, die richtige Auswahl an Materialien zu treffen, die leicht voneinander getrennt und wiederverwendet oder recycelt werden können.
- Einfache Zerlegung: DFD berücksichtigt bereits in der Analyse-Phase, wie das Produkt später einfach und effizient demontiert werden kann, um die Wiederverwertung zu erleichtern und Ressourcen zu schonen.
- Umweltfreundlichkeit: Es wird analysiert, welche Bauteile toxische oder schwer abbaubare Materialien enthalten, um diese bereits im Design zu vermeiden und durch umweltfreundliche Alternativen zu ersetzen.
- Kostenreduktion: DFD kann auch in der Analysephase des DFSS-Prozesses helfen, die langfristigen Kosten für Recycling und Entsorgung zu senken, indem es die Wiederverwendung von Bauteilen erleichtert und den Bedarf an neuen Rohstoffen verringert.
Durch die Anwendung von Design for Disassembly in der Analyse-Phase von DFSS können Unternehmen nachhaltigere Produkte entwickeln, die den gesamten Produktlebenszyklus berücksichtigen und die Umweltbelastung minimieren.
Recyclingfähigkeit
Für die Demontage von Produkten sind unterschiedliche Aspekte von Bedeutung. Neben dem Demontageaufwand bzw. der Demontagezeit ist die Recycling-Fähigkeit der Materialien ein wichtiger Stellhebel. Entwickler/ Konstrukteure können durch die Auswahl der Materialien hinsichtlich der Demontierbarkeit einen starken Einfluss auf die Nachhaltigkeit nehmen.
Der Demontageaufwand kann durch die Auswahl der Materialien stark beeinflusst werden. Tatsächlich sinkt der Aufwand mit der Nutzung kompatibler Materialen und Befestigungsprinzipien
Siehe Bildbeschreibung:
Übersicht des Demontageaufwands von Verbundmaterialien zur Bewertung der Recyclingfähigkeit (je weniger Demontage-Schritte, desto nachhaltiger).
FAZIT: Sicherung von Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftsperspektive
Da die Produktentwicklung eine Schlüsselrolle spielt in der Gestaltung innovativer, funktionaler und nachhaltiger Produkte, ist die Berücksichtigung von Ansätzen wie der ESG-Richtlinie und zyklischer Ressourcennutzung schon in dieser frühen Phase essenziell, um Umweltbelastungen präventiv vorzubeugen und gleichzeitig die Wirtschaftlichkeit zu fördern.
Strategien wie Cradle to Cradle (C2C) und Design for Disassembly (DFD) helfen, Materialien wiederzuverwenden und Produkte ressourcenschonend zu gestalten. Sie fördern Abfallvermeidung, Ressourceneffizienz und ermöglichen nachhaltige Innovationen, die Unternehmen wettbewerbsfähig und zukunftssicher machen.
Cindy Heinzemann
Training, Coaching, Kursentwicklung
Dank ihrer langjährigen und umfassenden Erfahrung in der Leitung von LEAN- und SIX SIGMA-Projekten sowie im Coaching begleitet Cindy Heinzemann unsere Teilnehmenden zielgerichtet durch die Kurse. Mit ihrem fundierten Fachwissen und ihrer positiven Art versteht sie es, theoretische Inhalte mit praxisnahen Erfahrungsberichten zu verbinden und dadurch den Lernerfolg zu gewährleisten. Als zertifizierte Nachhaltigkeitsmanagerin (TÜV) liegt es ihr sehr am Herzen, die Zukunftsfähigkeit für Neuentwicklungen oder Verbesserungen von Produkten und/oder Prozessen als Selbstverständlichkeit zu berücksichtigen und somit nachhaltige Lösungen zu gewährleisten.