Cäsar, Paula und die Prozessfähigkeit
17. Jan. 2023 | Matthias Storch | 3 min. | PDF-Version
Um unterschiedlichste Prozesse bewerten und effektiv optimieren zu können, bedarf es der Prozessfähigkeitsanalyse. Sie bedient sich einer stringenten Logik und gibt mit den vier Werten Cp | Cpk | Pp | Ppk dem Kenner Auskunft, was in welcher Reihenfolge zu tun ist.
Die Cäsar- und Paula-Werte der Prozessfähigkeit mit zugehöriger Optimierungsstrategie
Die Prozessfähigkeitsanalyse ist der Versuch, die Leistung eines Prozesses darzustellen und so eine Bewertungsgrundlage zu schaffen. Daraus ergeben sich mehrere Anforderungen:
- Die Berechnung auf Basis unterschiedlicher Datenarten
- Die Schätzung von einer Stichprobe auf den laufenden Prozess, also die Grundgesamtheit
- Die Einhaltung von Regeln für die Analyse der Prozessleistung
Ziel ist es, auf Basis der Analyseergebnisse eine effektive, technisch umsetzbare und wirtschaftlich sinnvolle Optimierungsstrategie für den Prozess entwickeln zu können.
Der richtige Stichprobenumfang als Grundlage
Konzentrieren wir uns hier auf die variablen Daten als Herkunftsdaten. Grundsätzlich gilt es, große Stichproben zu nutzen – im Sinne der „Theorie des zentralen Grenzwertsatzes“. Sie besagt, dass für Analysen mindestens 25 Werte zugrunde liegen müssen. Denn dann darf angenommen werden, dass der Mittelwert der Stichproben annähernd dem Mittelwert der Grundgesamtheit entspricht.
„Annähernd“ ist hier gleichzusetzen mit einem bekannten Schätzfehler. Auch die Standardabweichung der Stichproben ist nahezu so groß, wie die angenommene Standardabweichung der Grundgesamtheit.
Es muss zusätzlich klar sein, dass ein ausreichend langer Beobachtungszeitraum zu bestimmen ist. Dies erfolgt über die Auswahl der Daten.
Die vier wichtigen Prozessfähigkeitsindizes
Die Ermittlung der Prozessfähigkeitsindizes ist nun an der Reihe. Üblicherweise wird in der Praxis der Cp-Wert bzw. der Cpk-Wert ermittelt und als Prozessfähigkeit ausgewiesen. Hier darf allerdings die Frage gestellt werden, ob das wirklich die kundenrelevante Prozessfähigkeit abbildet!
Denn: Viele Statistikprogramme unterscheiden hier zwischen der potenziellen Prozessfähigkeit Cp bzw. Cpk (Capability of Process), und der Prozessleistung Pp bzw. Ppk (Performance of Process). Nennen wir erstere der Einfachheit halber „Cäsar-Werte“ (Cx) und letztere „Paula-Werte“ (Px).
Zusätzlich haben Firmen häufig Ihre eigene Definition der Prozessfähigkeit hinsichtlich Cäsar und Paula entwickelt. Das bedeutet, dass es herauszufinden gilt, welche Werte für die potenzielle bzw. kundenrelevante Prozessfähigkeit stehen.
Der kleine, bedeutende Unterschied zwischen Cäsar und Paula
Die Berechnungsformeln der Cäsar- und Paula-Werte sind nahezu identisch, lediglich die Standardabweichungen, welche für die Ermittlung der Werte genutzt werden, sind unterschiedlich.
- Cäsar: Die potenzielle Prozessfähigkeit
Für die potenzielle Prozessfähigkeit, die Cäsar-Werte, wird die sogenannte Standardabweichung „innerhalb“ genutzt. Hier wird versucht, möglichst genau die Streuung des Prozesses ohne die Streuungseinflüsse von außen zu ermitteln. Wie die Standardabweichungen ermittelt werden, ist im Anhang erläutert. Damit wird ausgedrückt, wie gut der Prozess laufen könnte, wenn er nicht durch Störeinflüsse von außen gestört würde, eben die potenzielle Prozessfähigkeit. - Paula: Die kundenrelevante Prozessfähigkeit
Die Standardabweichung der Paula-Werte bezieht alle Streuungseinflüsse mit ein. Daher ist sie die kundenrelevante Prozessfähigkeit.
Übrigens: Die Differenz zwischen der potenziellen und der kundenrelevanten Prozessfähigkeit darf dann tatsächlich den Störeinflüssen von außen zugeordnet werden.
Bewertung von Prozessen
Mit den Prozessfähigkeitsindizes und ihren Detaillierungen in p- bzw. pk-Werte lassen sich Prozesse weiter bewerten – bezüglich Streuung und Lage:
- Bewertung bzgl. der Streuung: Cp und Pp
Schaut man sich die Cp- bzw. Pp-Werte an, wird die Streuung des Prozesses dargestellt. Von Ihr kann im ersten Schritt abgeleitet werden, ob die Streuung kleiner ober, besser noch, wesentlich kleiner ist als die Vorgabe durch den Prozess (= Toleranz) oder Spezifikation (= Kundenvorgabe). - Bewertung bzgl. der Mittellage: Cpk und Ppk
Der Cpk- bzw. Ppk-Wert gibt das Risiko an, dass ein Prozess aus der Mittellage in Richtung einer Toleranzgrenze bzw. einer Spezifikationsgrenze wandert.
Anwendung und Vorgehen in der Praxis
In der Praxis ist im Rahmen der Prozessbewertung die Reihenfolge der Schritte durchaus wichtig. Gehen wir von schlanken Prozessen aus:
1) Es liegt auf der Hand, dass zuerst die Streuungsbreite (Cp-/ Pp-Werte) betrachtet werden muss. So kann festgestellt werden, ob bzw. inwieweit die Streuung reduziert werden muss.
2) Ist die Streuung klein genug, wird als nächstes die Lage des Prozesses (Cpk-/ Ppk-Werte) bewertet. Liegt der Prozess zu nahe an einer Grenze, so muss die Lage des Prozesses korrigiert werden.
Es ist offensichtlich, dass die Lagekorrektur nur dann eine Verbesserung der Prozessleistung darstellt, wenn die Streuung klein genug ist.
Damit ergibt sich:
Sind die Cäsar-Werte nicht gut genug, muss der Prozess selbst optimiert werden, seine Grundstreuung reduziert werden. Sind die Paula-Werte deutlich schlechter als die Cäsar-Werte, dann stören Einflüsse von außen den Prozess. Dies können Chargen-Schwankungen, Abweichungen von oder fehlende Standards, Maschinen- und Anlagenabnutzung (also Verschleiß) sowie saisonale Einflüsse sein.
Die zielführende Optimierungsstrategie ableiten
In der aus den Erkenntnissen abzuleitenden Optimierungsstrategie ist abzuwägen, ob eine Reduzierung der äußeren Einflüsse oder die Erhöhung der Robustheit des Prozesses – oder eine Mischung aus beiden Aspekten – der aktuell bessere Weg ist.
Häufig ist eine höhere Anforderung an Rohmaterialien mit hohen Kosten verbunden, welche die Wirtschaftlichkeit gefährden. Manchmal werden auch technisch/ naturwissenschaftliche/ biologische Grenzen erreicht und die theoretisch notwendigen Anforderungen sind gar nicht realisierbar.
Es gilt zu bedenken, dass die große Mehrheit der Materialien aus der Natur, d. h. aus Minen, von Farmen oder Plantagen kommt, zusätzlich aus unterschiedlichen Regionen der Welt. Diese Herkunftsvielfalt ist die eigentliche Begründung für „Chargen-Schwankungen“ und lässt erahnen, wie schwierig (oder teuer) die Reduktion solcher Schwankungen ist.
Dagegen bedeutet die Erhöhung der Robustheit im Prozess nicht selten die Optimierung oder sogar den Austausch von Anlagenteilen oder ganzen Maschinen. Der Abnutzungsvorrat der Anlagen, also der Vorrat an Substanz, der verschlissen werden kann, ohne das Qualitätsverluste entstehen, kann eine wichtige Rolle spielen.
Letztendlich ist ebenfalls zu berücksichtigen, welches Optimierungspotenzial hinsichtlich der Qualität überhaupt zur Verfügung steht und ob sich die Optimierung letztendlich rechnet.
Sind diese Aspekte gründlich untersucht worden, kann eine Optimierungsstrategie abgeleitet und im Sinne der Unternehmensziele umgesetzt werden.
Merke
- Cäsar-Werte (Cp, Cpk) potenzielle Prozessfähigkeit
Paula-Werte (Pp, Ppk) kundenrelevante Prozessfähigkeit - Xp-Werte Streuungsauskunft
Xpk-Werte Lageauskunft - Es gilt: Erst Cäsar dann Paula optimieren. Erst Streuung dann Lage optimieren.
Matthias Storch
Gründer Q-LEARNING
Vor seiner Gründung von Q-LEARNING im Jahr 2003 war Matthias Storch lange Zeit in leitenden Positionen in verschiedenen internationalen Konzernen tätig. Er hat sich auf die Wissensvermittlung und Anwendung von Methoden des Innovations- und Qualitätsmanagements spezialisiert. Als Autor vielfach ausgezeichneter Lehrgänge, Hochschuldozent, Speaker und international geschätzter Coach begleitet er weltweit die Unternehmensentwicklung von DAX-Konzernen und Mittelständlern.
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